Samstag und was für ein Glück – blauer Himmel, strahlende
Sonne – tags zuvor war es noch „zu kalt für den Monat August“. Pünktlich um 17
Uhr passieren wir den ersten Kontrollpunkt zur Waldbühne. Erhöhte
Sicherheitsvorkehrungen seit dem Anschlag auf ein Konzert in Ansbach. Im
Vorfeld gab es diverse Mails, die Besucher bleiben trotz erheblicher Wartezeit
an den Toren entspannt – die Kontrolleure auch.
Das West-Eastern Divan Orchestra spielt sich
bereits warm, als wir das abfallende Halbrund der Waldbühne betreten und uns Plätze
im D-Block suchen. Im Alltagsoutfit sitzen die 110 Musiker aus Ägypten, Syrien,
Jordanien, Libanon, Palästina und Israel auf der Bühne. Sie bezaubern mit der
Musik bereits bei ihrem Probelauf, obwohl auf den Rängen eher Gewusel und
Gespräche vorherrschen. Wir haben ein Mini-Picknick dabei: Käsewürfel, Salami-
und Pastrami-Scheiben, schwäbische Seelen, Tomaten, Gürkchen und Kapern. Einfach
und gut. Getränke wurden im Vorfeld auf 0,5l pro Person reduziert und auch nur
in PET-Flaschen zugelassen. Sicherheit für die 16 000 Besucher geht an diesem
Abend vor.
Die oberen Ränge genießen Sonne zur Musik von Jörg Widmann |
Im regulären Programm dann – zwei Stunden
später, pünktlich um 19 Uhr, die Orchestermitglieder jetzt im klassischen
Bühnenschwarz gewandet – zunächst „Con brio“ von Jörg Widmann. Der Münchner Klarinettist
und Komponist hat Klassisches mit perkussionartigen Einschlägen kombiniert. Mir
gefällt’s.
Dann kommt die Pianistin Martha Argerich. Die
Diva erscheint ganz lässig im langen Hippie-Blümchenrock mit Folklorebluse und gibt
Franz Liszt Klavierkonzert Nr. 1 in Es-Dur. Ihr Spiel und das Orchester
scheinen eine Einheit zu sein, das Publikum ist begeistert. Erst recht, als es
eine Zugabe von Ravel gibt: jetzt vierhändig zusammen mit Daniel Barenboim.
Großer Applaus.
Langsam dämmert es und die Sonne
verabschiedet sich auch aus den oberen Rängen. Zeit für Richard Wagner: die „Tannhäuser“
Ouvertüre, aus der „Götterdämmerung“ werden „Die Morgendämmerung“, „Siegfrieds
Rheinfahrt“ und die Ouvertüre gespielt sowie die „Die Meistersänger von
Nürnberg“-Ouvertüre. Es ist nicht unproblematisch ein Orchester wie dieses, zusammengesetzt
aus arabischen und israelischen Musikern, Richard Wagner spielen zu lassen.
Gilt der Komponist doch als Ideenlieferant für Nazi-Ideologie – aber das ist
eine andere Geschichte. Doch Barenboim geht es um Kunstvermittlung, obwohl die
Diskussion immer noch läuft, bleibt er bei Wagner im Programm.
Die Musik ist einfach mitreißend. Das Paar
vor uns ist total fasziniert – hat noch nie etwas von dem Komponisten gehört. Daniel
Barenboim setzt auf überraschende Momente wie die Hornistin, die plötzlich
seitlich und oberhalb der Bühne auf dem Weg zum Erste-Hilfe-Zelt steht – wie
auf dem Rheinfelsen als Siegfried auf dem Fluss herumschippert. Herrlich und
genauso verzaubernd, wie das immer wiederkehrende, sanfte Blätterrauschen über
der Waldbühne, wenn der Wind durch die Blätter streicht. Selbst das scheint
sich an diesem lauen Sommerabend in die Musik einzufügen und diese nicht zu
verkitschen.
Im Dunkeln dann noch zwei Wagner-Zugaben,
verdientes Jubeln, standing ovations und Applaus für die Musiker, den
Dirigenten und die Pianistin. Ein zauberhafter Berliner Abend mit besonderer Atmosphäre
geht zu Ende. Nächstes Jahr unbedingt wieder!
Am Sonntag – 13. August 2017 wieder um 19 Uhr – sind Daniel Barenboim und das West-Eastern Divan Orchestra zum
siebten Mal in die Berliner Waldbühne zu sehen – Karten dafür sind ab sofort im
Vorverkauf erhältlich.
Unter: www.semmel.de
Mehr zum West-Eastern Divan Orchestra und
Daniel Barenboim in unserem Beitrag hier>>
Text und Fotos: Juliane Rohr
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